Eine außergewöhnliche Reise

Es begann alles mit einem Anruf im Frühjahr. Eine gewisse Dana war am anderen Ende der Leitung und meinte, sie sei für den ORF tätig. Man habe meine Homepage über eine Suchmaschine gefunden, weil man zum Thema Freundschaft geeignete Leute für eine Fernsehsendung suche. Sie fragte mich, ob ich daran Interesse hätte und so trafen wir uns zu einem Erstgespräch in einem Kaffeehaus. Dana war unkompliziert und ich darum nicht nervös. Sie stellte Fragen über Marco und mich, die ich in gemütlicher Atmosphäre beantwortete. Abschließend machte sie noch ein Foto von mir und meinte, sie werde sich bei mir melden. Kurz darauf setzte sie sich mit Marco in Verbindung.

Da sie sich die nächsten Wochen weder bei mir noch bei ihm rührte, nahmen wir an, entweder ich hätte beim persönlichen Gespräch nicht entsprochen oder Marco und ich seien doch keine so außergewöhnliche Freundschaft.

Anfang Sommer rief sie jedoch an und meinte, ob der Regisseur und sie mich in meiner Wohnung besuchen könnten. Da wurde ich dann doch ein bisschen aufgeregt, denn damit hatte ich nicht mehr gerechnet. Mein Günther hatte zu dieser Zeit Urlaub, weil wir gerade übersiedelten. Es stellte sich heraus, dass der Regisseur Michael und er ein großes Hobby teilten, nämlich die Leidenschaft HIFI. Es entstand erneut eine lockere Gesprächsbasis, ich kannte ja Dana bereits und darum war ich erneut ungezwungen. Wiederum hörte ich von beiden, sie würden sich melden. Marco und ich warteten aufs neue und bekamen lange Zeit keine Reaktion.

Anfang Juli rief Dana an und sagte, sie seien interessiert und ob ich bereit wäre, mit dem Regisseur und dem Kameramann nach Köln zu fliegen, um in Marcos Heimatort Spelle zu drehen. Freude mischte sich mit Aufregung, Marco teilte meine Gefühle und so begannen wir uns geistig vorzubereiten: Wir beide in einer Dokumentation mit dem Titel „Beziehungsweise“. Wir, das erste außergewöhnliche Freundschaftspaar, denn es sollten in diesem Pilotprojekt vier vorgestellt werden.

Am 24. Juli war es dann so weit und ich war von der Früh an nervös. Ich wusste inzwischen, dass ich an diesem Tag als erstes ein Interview geben und anschließend das Sportschießen für Blinde vorstellten durfte. Dann sollte Günther heim kommen, der uns drei zum Flughafen bringen würde.

Dana kam mit 9 Leuten in meine neue Wohnung. Ich war unvorbereitet, überrascht und wurde aufgeregt, denn mit so einer Gefolgschaft hatte ich nicht gerechnet. Wieso so viele Leute, wo sollte ich die unterbringen und was machten sie alle hier? Hoffentlich stolperte ich nicht über eine Apparatur oder rannte einen aus Versehen um, ging mir durch den Kopf. Jeder stellte sich brav vor, doch ich konnte mir weder Namen noch Gesichter merken, weil es bald zuging, wie in einem Bienenstock. Einzig Dana, Michael (die ich ja schon gesehen und gehört hatte), Visagistin Ulla und den Kameramann Franz erkannte ich bald am Aussehen und der Stimme, der Rest verschmolz im Trubel und Stimmengewirr. Ich hatte mich, wie jeden Morgen - wenn ich das Haus verließ oder Besuch kam -, geschminkt, ein Fehler wie sich herausstellte. Ulla hatte eigenes kameragerechtes Make up, um mich optimal zurechtzumachen. Ich staunte über den großen Schminkkoffer, wo es wirklich an nichts fehlte. Lockenwickler, Spray, Spiegel, Unmengen Pinsel, Farben und zig Utensilien waren im Nu auf Günthers Basteltisch verteilt.

Ich, aufgenommen im Juli 2003

Ulla war geschickt, geschwind und trug so zart auf, dass ich kaum etwas spürte, einzig meine Augen begannen zu tränen. Ich hatte während dessen die Befürchtung, nachher überschminkt auszusehen und nicht mehr so natürlich zu sein, wie ich sonst war. Doch ein Blick in den Spiegel bewies mir das Gegenteil und auch die Fotos lassen deutlich erkennen, dass mein Gesicht typgerecht betont wurde und ich gefiel mir wirklich gut. Als ich ins Computerzimmer geschickt wurde, wo das Interview stattfinden sollte, erkannte ich den Raum nicht wieder. Vor dem Fenster war eine Leinwand aufgestellt, die bläulich-violett angeleuchtet wurde. Eine große Kamera stand auf einem Stativ, ein Scheinwerfer war aufgebaut, der – wie sich herausstellte – mich anleuchtete. Einer der Männer saß mit Mikrofon und Kopfhörer ausgerüstet auf der Türschwelle. Franz stand hinter den Geräten und Michael saß auf der Couch. Er schien schnell zu erkennen, dass ich mich in mein einst vertrauten Zimmer nicht hineinzugehen getraute. Ich hatte Angst, über Kabel zu fallen, ein Gerät zu übersehen und dadurch womöglich etwas kaputt zu machen. Als ich am Sessel vor meinem Computer saß, wagte ich kaum, mich zu bewegen, denn Ulla hatte meine Haare so schön frisiert und die Kamera wurde auf meine Position eingerichtet. Dann gingen die eigentlichen Dreharbeiten los. Michael stellte mir Fragen, die ich so beantworten sollte, als würde ich erzählen. Ich musste Marcos Charakter beschreiben, was für mich Freundschaft generell bedeutet, den Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft, was die Sehbehinderung in unserer Freundschaft für eine Rolle spielt und einiges mehr. Dann "musste" ich am Computer tippen, ich entschloss mich für die Beantwortung einiger Mails, denn ich sollte nur schreiben. Ich war heilfroh, dass Michael mir genau sagte, was ich wann, wie und wo zu tun hatte, denn so brauchte ich mir zumindest nicht den Kopf darüber zu zerbrechen, dass ich ja im richtigen Moment das richtige tue und sage. Ich befolgte seine Anweisungen und wurde zusehends sicherer.

Nach eineinhalb Stunden wurde wieder abgebaut und im Nu sah die Wohnung aus wie vorher. Der Rest der Crew, bis auf Michael und Franz, machte sich inzwischen mit den Autos auf den Weg nach Köln. Wir fuhren zum Schießstand des Heeressportvereins, wo bereits der Bereichsleiter für die Lufthalle auf uns wartete. An dieser Stelle möchte ich mich bei ihm und dem Oberschützenmeister bedanken. Sie waren sofort mit dem Filmen einverstanden und empfingen uns sehr freundlich und zuvorkommend. Ich baute meinen Schießstand mit Beleuchtung und allem Drumherum auf, wobei mir ziemlich heiß wurde. Die Sonne brannte auf das Blechdach, es hatte auch mit Sicherheit an die 30 Grad. Weil der Regisseur Michael und der Kameramann Franz angenehm und freundlich-locker waren, legte sich meine Aufregung spürbar und ich schoss ein paar gute Zehner.

Anschließend setzten wir uns in die Kantine, wo mich mein Günther anrief, er habe Ersatzruhe und könne jetzt kommen. Michael, Franz und ich freuten uns, denn sie wollten auch uns beide drehen, wie er mich zum Flughafen brachte. So stiegen wir in Günthers Auto ein und unterhielten uns zwanglos, während die Beiden auf den Rücksitzen saßen und filmten. Auf den Straßen war um den frühen Nachmittag fast kein Verkehr und so hatten wir noch gemütlich Zeit für einen Besuch im Restaurant, denn bisher kamen wir alle nicht zum Essen. Nach einer wirklich netten Unterhaltung verabschiedete ich mich mit gemischten Gefühlen von Günther. Teilweise war ich traurig, weil wir uns für ein paar Tage trennen mussten, hatte Flugangst, freute mich auf Marco und war neugierig auf seine Freundin und seine Familie.

Man sah mir deutlich meine Flugangst in den Turbulenzen an *g*

Der Flug hatte es für mich in sich, denn ich sah unter mir immer wieder Gewittertürme und wir hatten ganz schöne Turbulenzen. Michael und Franz hatten jedoch überhaupt keine Angst und versuchten sogar zu filmen, also beruhigte ich mich.
In Köln angekommen, erwarteten uns Marco und Veronika. Ich spürte gleich von vorn herein, dass ich sie mochte. Sie war quirlig, spontan und offen gegenüber den Menschen. Wir hatten noch eine fast dreistündige Zugfahrt vor uns und verpassten wegen Verspätung auch noch den Anschlusszug. Das war Michael, Franz und mir dann auch schon egal, denn wir waren sowieso übermüdet nach diesem anstrengenden Tag. Auch Marcos Familie war nett und völlig umgänglich, doch weil am nächsten Tag frühes Aufstehen angesagt war, fiel ich bald ins Bett und schlief nach diesem aufregenden aber schönen Tag sofort ein.

Am kommenden Vormittag wurde Marco fürs Interview hergerichtet und ich freute mich diebisch, dass nun er dieselben teilweise überraschenden Fragen bekam wie ich *g*. Seine Familie war ebenfalls überwältigt, weil so viele Leute das Haus bevölkerten, denn auch sie hatten nicht damit gerechnet. Wir mussten öfter lachen und fühlten uns stolz und geehrt, denn sowohl in meiner Umgebung als auch in ihrer waren sicher viele Gucker an den Fenstern oder auf der Straße. Ein solches Aufgebot sah man selten und die großen Kameras, Stative, Lampen etc. waren ein ungewohnter Anblick. Wir waren sicher für eine Weile Gesprächsthema Nummer eins und das amüsierte uns.

Marco und ich wurden fürs Interview geschminkt Marco und ich beim Interview Das Fernsehteam baut sein Equipment ab

Während Marcos Interview wurde ich für gemeinsame Aufnahmen geschminkt. Wir hatten viel Spaß, denn es herrschte eine harmonische Stimmung. Marcos Mutter beeindruckte mich, denn obwohl volles Haus und eine außergewöhnliche Situation war, hatte sie einen wirklich guten Linseneintopf gekocht. Sie war überhaupt ausgeglichen und ruhig wie auch Thomas, Marcos Vater. Er machte stets Frühstück und der Tisch war auch fürs Auge schön gedeckt. Ich mag diese Familie, denn sie helfen einander und halten zusammen.

Das Fernsehteam, Marco und ich auf einem Gruppenfoto Marcos Familie, Franz und Michael bei der Kaffeejause im Garten

Beim Nachmittagskaffee saßen wir an einem großen Tisch und wurden bei der Unterhaltung gefilmt. Zwei Gruppenfotos erinnern an die einmalige Gartenatmosphäre.

Als Marco und ich durch die Ortschaft schlenderten, wobei wir natürlich auch gefilmt wurden, staunte ich nicht schlecht. So wie das Haus der Familie sahen auch die anderen Häuser aus, Ziegelbauten ohne Verputz und meist Einfamilienhäuser mit gepflegten Gärten.

Marco und ich sitzen auf einer Bank beim Fachwerkhaus am Wöhlehof

Der Wöhlehof mit seinem Fachwerkhaus gefiel mir besonders gut, so eine Bauweise hatte ich noch nie gesehen. Spelle wirkt wie ein Dorf, doch es hat immerhin 8000 Einwohner.

Am Abend trennte sich das Team von uns. Bis auf Michael und Franz fuhr der Rest wieder zurück nach Köln, die beiden aßen zu Abend im Hotel, in dem sie untergebracht waren. Veronika, Marco, seine Zwillingsschwester Ricarda, sein Bruder Sebastian, Vater Thomas und ich gingen in eine Pizzeria und anschließend in ein Irish Pub. Mutter Beate war anderweitig verarbredet und kam später nach.

Marco und ich vor der Venhauser Kirche

Am Samstag war erneut Drehtag und diesmal schminkte ich mich selbst, weil ja Ulla nicht mehr hier war. Wir bummelten durch die Ortschaft und besichtigten das Speller Moor, die Venhauser Kirche im Burgpark und begaben uns anschließend zur Nachmittagsjause wieder in den Garten. Am Abend aßen wir alle bei einem Griechen und besuchten erneut das Irish Pub. So ging auch dieser Tag zu Ende und für den Sonntag war ein Ausflug nach Köln geplant, von wo aus wir am Abend wieder nach Wien flogen.

Marcos Eltern fuhren uns zum Bahnhof nach Rheine, denn sie mussten auf ein Sommerfest. In Köln trennten Franz und Michael sich von Marco, Veronika und mir.

Am Kölner Bahnhof trafen wir Carola, eine E-Mail-Freundin - die ich bis dahin noch nicht persönlich gesehen hatte - und ihren Mann. Auf der Terrasse eines Cafés unterhielten wir uns und kamen dabei in einen Regenguss. Mit Schirmen schützten wir unseren Kaffee vor Verwässerung *g*. Wir bummelten durch die Fußgängerzone und diese, wie auch der Kölner Dom, erinnerten mich an die Kärntner Straße und den Stephansdom.

Köln vom Turm des Doms aus Nochmal Köln von oben Marco, Carola und ich in Köln Der Kölner Dom von unten

Veronika wollte auf den Turm steigen, der immerhin 500 Stufen hatte. Die Idee gefiel mir und schon gings los. Es führte eine steile Wendeltreppe nach oben, die Luft war stickig und viele Touristen schlängelten sich rauf und runter. Wir kamen ganz schön außer Atem, doch wir schafften den Aufstieg und wurden mit einem herrlichen Ausblick über Köln belohnt.

Michael und Franz auf dem Rückflug

Leider ging auch dieser Tag viel zu schnell vorüber und schon nahte der Rückflug. Dieser war komplett ruhig und eben noch in Köln, war ich wieder in Wien und freute mich auf meinen Günther, der mich abholte.

Das ganze Team war zuvorkommend und nett und ich verbrachte unvergesslich schöne und zugleich aufregende Tage.


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Letztes Update 4. August 2003
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