Tag der offenen Tür bei der Hilfsmittelfirma Baum


Im Jahr 2002 wurde ich von der Firma Baum angerufen, ob ich ihnen beim „Tag der offenen Tür“ helfen würde. Ich war überrascht, denn wie kam der Geschätsführer auf mich? Er kannte mich und wusste, dass ich sehbehindert war. Hatte er so viel Vertrauen zu mir, dass er an meine Fähigkeiten glaubte? Er erklärte es mir so, dass ich als selbst Betroffener die sehbehinderten und blinden Besucher weit mehr Leute kannte als er oder seine Belegschaft. Folglich könnte ich bereits am Empfang den Erstkontakt herstellen und sie weiter in den Vorstellungsraum geleiten. Auch war ich im Umgang mit Getränken und Brötchen servieren unkomplizierter als sehende Menschen - glaubte er.

Baum Elektronik mit Sitz in Wien bietet blinden und sehbehinderten Menschen ein breites und hochwertiges Angebot an elektronischen Hilfsmitteln und Dienstleistungen für Ausbildung, Arbeitsplatz und den privaten Gebrauch an.

Ich war aufgeregt und unsicher, als ich das erste Mal in der Küche und dem Vorraum stand. Würde ich das von mir Erwartete schaffen? Hoffentlich enttäuschte ich die Belegschaft nicht.

Beide Mitarbeiterinnen mit demselben Vornamen Silvia waren umgänglich-nett und nach Erklärungen, wo ich in der Küche was fand, war mir dieser Bereich geläufig. So konnten die beiden in ihrem Büro arbeiten und ich ging meiner Tätigkeit nach. Sie waren aber immer für mich da, wenn ich Hilfe benötigte und das gab mir beruhigende Sicherheit. Da ich alle Mitarbeiter mehr oder weniger kannte, war der Umgangston locker und ungezwungen.

Vormittags waren die Besucher zumeist ältere Menschen, die sich für Lesegeräte, die bei Bedarf auch sprechen können, interessierten. Ihr Sehvermögen reichte oft nicht mehr aus, um mit Brille lesen zu können.
Näheres über die Geräte finden sie auf der Homepage der Firma Baum.
Weil sich alle Beschäftigten individuell um jeden Kunden bemühten, ihn ausführlich berieten und ihm auch die für ihn geeigneten Hilfsmittel zeigten, kam es an solchen „offenen Tagen“ manchmal zu längeren Wartezeiten. Die versuchte ich zu verkürzen, indem ich ein Glas Sekt oder Sekt-Orange anbot. Selbstverständlich gab es auch alkoholfreie Getränke und Kaffee. Sofern es meine Zeit zuließ, unterhielt ich mich mit den Leuten, wodurch es für sie noch kurzweiliger wurde. Ich ging oft den Gang des Vorraumes auf und ab, um hereinkommende Gäste zu begrüßen, ihnen bei Bedarf die Garderrobe abzunehmen und sie entweder in das Zimmer führte, wo Hilfsmittel für Blinde vorgeführt wurden, oder in den Sehbehindertenraum, je nachdem was sie erklärt bekommen wollten. Ich zeigte Ihnen auch die geräumige Sitzgarnitur, wo sie oft in ein Gespräch kamen. Leere Gläser trug ich in die Küche und spülte sie gleich ab, damit sie wieder einsatzbereit waren. Den Geschirrspüler ein- und auszuräumen war für mich mit dem vielen durchsichtigen Geschirr komplizierter, weil ich mich stets greifend davon überzeugen musste, dass die Gläser so einsortiert warem, dass sie nicht zu Bruch gingen. Außerdem dauerte es mir zu lange, bis ich wieder zu sauberen Gläsern kam. Das Öffnen der Sektflaschen war anfangs eine etwas Angst einflößende Tätigkeit. Ich mag es nicht, wenn der Korken ausfährt, kaum berührt man den Draht. Er braucht nur ungeschickt wegzuspringen, was mitunter nämlich nicht ungefährlich sein kann. Außerdem schrecke ich mich wegen des knallenden Lärms, den ich in keiner Form mag. Doch bald hatte ich auch das heraußen. Ich stülpte bereits ein Geschirrtuch darüber, während ich das Papier ablöste, was sich oft als sehr ratsam herausstellte. Das Füllen der vielen für mich teilweise „unsichtbaren“ Sektflöten, die noch dazu kontrastarm auf dem weißen Tisch standen, war zu Beginn auch nicht so einfach. Wann war ich mit dem Flaschenhals überm Rand, wann war das Glas voll? Doch auch da wusste ich mir bald zu helfen: Ich nahm einfach das Glas in die linke Hand, hielt es gegen eine dunkle Fläche und schon war es gut sichtbar, wie auch dessen Inhalt. Gebrauchte Gläser wegzuräumen fiel mir hingegen leichter, denn dadurch, dass sie nicht mehr glasklar sauber waren, sahen sie trüber, teilweise milchiger aus. Auch der Lichteinfall durch Fenster oder Neonröhren spiegelte sich und verriet dadurch, wo ein leeres Glas stand. Einem normal sehenden Menschen fallen solche Dinge sicherlich nicht auf, doch für mich sind sie wertvolle und wichtige Informationen. Ich freue mich jedes Mal leise verlegen, wenn geglaubt wird, wie gut ich eigentlich noch sehe und ich bin ja auch mit meinem Sehrest sehr zufrieden. Doch ohne meine genauen Beobachtungen und die daraus entworfenen Tricks könnte ich nie so gut mit meinen 20 % Sehvermögen auf nur einem Auge umgehen.

Nachmittags kamen eher Berufstätige und viele davon kannte ich persönlich, zumal ich durch meine Tätigkeit im ÖBSV und dem Sportschießen etliche Kontakte knüpfen konnte. Manch angeregtes Gespräch entstand auch bei Baum und neue Menschen lernte ich auf diese Weise ebenfalls näher kennen. Die „Arbeit“ machte mir Spaß und durch meine Kontrollgänge bezüglich leerer Gläser, die ich sofort durch volle ersetzte, hörte ich dort und da interessante Informationen gleich mit. Am Abend taten mir zwar die Füße weh, weil ich das lange stehen oder gehen nicht gewohnt war, doch ich möchte keine Stunde missen. Das Lob der Belegschaft freute mich sehr und gab mir Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. So hatte ich wieder einmal die Gelegenheit erhalten, Gleichbetroffenen aber auch Nichtbehinderten zu helfen, ob nun im ÖBSV in der Unsicht-Bar, oder an Tagen der offenen Tür bei Baum.

Eines möchte ich jedoch stets beibehalten: Mich nie aufdrängen und bescheiden und eher unscheinbar im Hintergrund bleiben. Ich bin weder der geborene Redner, noch liegen mir Scherze, um dadurch allenfalls im Mittelpunkt zu stehen. Mir ist in erster Linie wichtig, trotz meiner Behinderung helfen zu können und Öffentlichkeitsarbeit zu machen, um die Scheu der Menschen abzubauen.


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Letztes Update 21. Oktober 2001
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