Meine Erlebnisse beim Laufen

Auf den Gedanken zu laufen brachten mich, unabhängig voneinander, zwei Frauen. Ihre schlanke und straffe Figur wollte ich auch haben. So zog ich, fest entschlossen, Turnschuhe, eine Jogginghose und ein T-Shirt an. Ich startete am

01. April 2002

voll Elan aus dem Haus. Dieser erste Versuch scheiterte kläglich, denn ich lief mit zu hohem Tempo und zu großen Schritten einfach los. Bereits nach einer Viertelstunde ging ich, außer Atem, erschöpft und resigniert wieder heim. Ich erzählte meiner Lauffreundin Lilli enttäuscht von meinem ersten Laufversuch. Sie riet mir langsam und mit kleinen Schritten anzufangen. Erst nur 3 Minuten laufen, 2 Minuten gehen und das nur einmal in der Woche.

Beim zweiten Versuch kehrte ich erneut mutlos wieder heim. Vermutlich hätten ab diesem Zeitpunkt die meisten das Handtuch geworfen, aber warum ließ mich dieses Hobby nicht los, warum zog es mich hinaus in die Natur?

Beim nächsten Mal drehte ich in der Wohnung meine Runden. Hier war ich wenigstens unbeobachtet und hielt die Zeiten genau ein. Ich konzentrierte mich auf kleine Schritte, versuchte die Arme im richtigen Rhythmus mitzuschwingen und auf dem Mittelfuß aufzusetzen. Anfangs achtete ich auch auf die Atmung, merkte aber gleich, dass sich die von alleine regelt.

Nach drei „Stubenrunden“ wagte ich mich wieder außer Haus und stellte fest, ich hatte weniger Probleme. Freilich schmerzten die Waden noch und brannten die Bronchien, aber ich schaffte die halbe Stunde. Ich fühlte mich sicherer und war das erste Mal ein bisschen stolz auf mich. Bei der Suche nach Laufseiten im Internet sammelte ich zusätzliche Informationen und konnte in Foren Fragen stellen.

Laufanfang im Jänner 2002

Die ersten drei Wochen kosteten mich, trotz kleiner Erfolge, noch viel Überwindung und Kraft. Lilli riet mir, auf Grund meiner wachsenden Laufintensität, zu Laufschuhen, denn mit den normalen Turnschuhen seien Läufe für den Fuß sehr belastend. Ich hatte eh bemerkt, dass ich hart und ungedämpft auf dem Asphalt aufsetzte und die Erschütterungen, die ich im ganzen Körper spürte, unangenehm waren. Ich schob es aber auf meine mangelnde Lauferfahrung. Also ging ich in einen Laufshop. Aber genier, bei der Schuhbestimmung stellte ich mich im Sportgeschäft auf dem Laufband sehr ungeschickt an, denn ich hatte keine Erfahrung im Umgang mit einem solchen Gerät. Doch der Verkäufer war einfühlsam, lauferfahren, kompetent und fand sofort den richtigen Laufschuh für mich.

Die nächsten zwei Wochen war ich damit beschäftigt, mich an die neuen Schuhe zu gewöhnen. Sie waren, im Gegensatz zu handelsüblichen Turnschuhen, mehr gepolstert und hatten eine optimale Dämpfung. Ich setzte weicher auf und es lief sich unkomplizierter und einfacher. Ich lief nicht mehr so kantig sondern der Bewegungsablauf wurde fließender.

09. Mai 2002

Laufen beim Rapsfeld

Weil es im Mai schon ziemlich warm wurde, kaufte ich eine kurze Laufhose und einen Trinkgurt inklusive Flasche. Nun lief ich fast eine Stunde, mal schneller, mal langsamer. Die Pulsuhr war reine Kontrolle. Das Laufen machte mir mehr Freude denn je. In den Sonnenaufgang zu starten ist einmalig schön und noch kühl, denn unter Tags wurde es föhnbedingt ohnedies zu heiß. Ich roch mit jedem Atemzug die blühende Natur und die leuchtend gelben Rapsfelder sind eine wahre Augenweide. Gänseblümchen und Löwenzähne rauften sich um einen Stehplatz und der Flieder zeigte sich von seiner üppigsten Pracht. Traktoren fuhren auf den Feldern und die Bauern, an denen ich oft vorbeilief, begrüßen mich inzwischen, weil ich für sie vertraut geworden bin. .

21. Oktober 2002

Laufen im bunten Herbst

Fünf Monate sind wie im Flug vergangen und von Wärme und Sonnenschein ist keine Rede mehr. Der Herbst hat Einzug gehalten. Im vergangenen Restwinter lief ich mit der guten alten Leggings und einem Strickpullover, da ich ja nicht wusste, ob mir diese neu ausprobierte Art des Sports überhaupt gefällt. Weil dem aber zunehmend so war, legte ich mir ein neues Outfit zu.

12. Jänner 2003

Laufen im Tiefschnee

Nun ist der da, der von Vielen lang ersehnte Winter. Nur mir könnte er gestohlen bleiben, zumindest in der Großstadt. Aber ich lasse mich durch keine Naturkapriolen vom Laufen abhalten. Auch ich blieb von Zwangspausen winterbedingt nicht, wie zB einem grippalen Infekt, verschont. Man glaubt gar nicht, wie rasch Muskeln oder Kondition abbauen. Kaum zwei oder drei Wochen nichts tun zu können, stellen sich leichte Anfangsanzeichen wie brennende Bronchien, Wadenschmerzen, schnell außer Atem kommen und frühzeitige Erschöpfung ein. Wenn man bedenkt, wie lange man braucht, um dort wieder hinzukommen wo man vorher war und wie schnell man abbaut, ist das mitunter schon frustrierend.

Knieschmerzen, die aus heiterem Himmel Mitte Oktober 2002 anfingen, zwangen mich zu Laufpausen bzw. ich musste dazwischen immer gehen, weil die Schmerzen beim Laufen zu arg wurden. Anfangs war ich deprimiert und unglücklich. Der Orthopäde empfahl mir eine Kniebandage, mit der ich drei Monate später wieder laufen konnte

Meerlauf in Velavaru 2003

Was ich im Februar 2003 zum ersten Mal genießen durfte:
Laufen am Meer und zwar auf einer Malediveninsel. Vor Sonnenaufgang war die Temperatur um die 30°, das ging grad noch :-). Der angenehme Wind, das lauwarme Meerwasser und der weiche Sandboden waren 2004, 2005 und 2006 einmalige Lauferlebnisse.

23. Juli 2019

Sehr viel Zeit ist seit dem letzten Eintrag vergangen
2018 machte sich eine Fehlstellung des linken Fußes sehr ungut bemerkbar, denn bis zu diesem Zeitpunkt machten meine Plattfüße keinerlei Probleme. Ab da an brach aber der linke Mittelfußknochen durch die Belastung beim Laufen und sogar während des Gehens insgesamt dreimal. Ich musste lange pausieren und kann seit dem Juni 2018 nur noch mit speziellen Einlagen laufen. Seither ist die Unbeschwertheit von vorher weg und kommt auch nicht mehr. Der Fuß (ich trage die neuen Einlagen wegen der Ausgeglichenheit in beiden Schuhen) macht Probleme beim Auftreten und Abrollen während jedes Ausdauersports. Manchmal habe ich das Gefühl, ich stolpere und stürze. Trotzdem lief ich ab Oktober einmal die Woche zwischen 80 und 100 Minuten und war stolz auf mich.

Im Frühjahr 2019 erwachte die Idee, einmal einen Halbmarathon zu laufen und sei es erst in zwei Jahren, also 2021. Um zu checken, wie meine aktuelle Laufzeit und der Laufstil sind, empfahl mir der Leiter des Blindensportes, mich an einen ihrer Trainer zu wenden. Das tat ich und so startete ich, mit zwei jungen Läufern, los. Entweder waren die so schnell, denn sie hatten ein irres Tempo, oder ich lief so langsam. Nach dem Ereignis war ich etwas enttäuscht. Aber aus dieser Erfahrung und Tipps des Trainers habe ich gelernt aufzuwärmen bzw. zu mobilisieren, ehe ich loslief und ich erhöhte mein Tempo.

So war ich guter Dinge, als ich im Juli 2019 mit einem Team zur ÖSTM (Österreichische Staatsmeisterschaft) fuhr. Beim 5000 Meter Lauf, für den ich mich angemeldet hatte, genoss ich das Laufen auf der Laufbahn und war für meine Verhältnisse und trotz einsetzenden Regens schneller als sonst. Die Zurufe meines Teams und dass meine Schwester bei jeder Runde mit Schirm am Rand der Laufbahn stand, einfach da war und mich anfeuerte, freuten mich riesig und motivierten mich, noch schneller zu werden.

Laufen auf der Laufbahn Laufen auf der Laufbahn

Dass ich als vorprogrammierte dritte Frau antrat, damit die ersten beiden Starterinnen eine Medaille erhielten, erfuhr ich erst später und ebenso, dass ich weder eine Bronzemedaille noch Urkunde erhielt, als ich stolz und erfreut am niedrigsten Podest stand. Selbst wenn das Prozedere üblich ist, war ich enttäuscht und ernüchtert zugleich. Wo bleibt in dem Fall die Kameradschaft und Motivation, damit man beim nächsten Mal wieder gerne dabei ist und sich sogar steigert?
Mit meinen fast 55 Jahren und den schwereren Laufschuhen, ist der Traum vom Halbmarathon ebenso geplatzt wie ein erneuter Start bei einer Meisterschaft.
Ich möchte weder der Lückenfüller noch ein Träumer sein.

Hier habe ich mein Laufparadies vor der Haustür und kann mein Tempo und meine Laufzeit selbst bestimmen. Nebenbei kann ich die Natur mit den vielen Feldern, Wiesen, Wäldern und Tieren in vollen Zügen genießen und das zu jeder Jahreszeit. Ich bleibe mit Leib und Seele, wie bisher, Hobbyläuferin.


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Letztes Update 23. Juli 2019
© by Burgi Bänder, Wien